Samstag, 5. Mai 2012

Schiller - Tell

Schiller – Wilhelm Tell (1804)

→ IHNALT

Das Drama »Wilhelm Tell« entstand in den Jahren 1803 und 1804 und wurde kurz nach seiner Veröffentlichung im Frühjahr 1804 erstmals auf der Bühne des Weimarer Hoftheaters aufgeführt. Es handelt sich um das letzte Werk des Dichters Friedrich von Schiller, der ein Jahr nach der Erstaufführung verstarb. Das Werk ist in fünf Aufzüge gegliedert und beschäftigt sich mit der Sage um den gleichnamigen Schweizer Nationalhelden, der zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert gelebt haben soll. Zu den handelnden Personen zählen neben Wilhelm Tell selbst insbesondere sein Gegenspieler Hermann Gessler sowie Werner Freiherr von Attinghausen, Ulrich von Rudenz, sowie zahlreiche Bauern, Handwerker und Landleute aus der Schweiz. Die Kernaussagen des Stücks sind der Widerstand gegen machtgierige und teilweise sadistische Unterdrücker, sowohl von Einzelpersonen wie auch der gesamten Gesellschaft.

1. Aufzug
Das Drama beginnt am Schweizer Vierwaldstätter See, wo sich der Jäger Werni, der Hirte Kuoni und der Angler Ruodi aufhalten. Plötzlich erscheint Konrad (Baumgarten), der vor habsburgischen Soldaten flieht, weil er den Burgvogt von Unterwalden ermordet haben soll. Nun betritt auch der Titelheld die Szene und alle bedrängen den Angler, Konrad Baumgarten mit dem Boot über den See in Sicherheit zu bringen. Weil sich Ruodi wegen eines aufziehenden Unwetters aber weigert, übernimmt Tell diese Aufgabe. Die habsburgischen Soldaten sind deswegen außer sich vor Wut und nehmen an den einfachen Bauernhütten und Tierherden grausame Rache.
Nun wechselt mehrfach der Schauplatz. Zunächst geht es um Werner Stauffacher und seine Frau Gertrud, einfache Landleute aus Schwyz. Auch zwischen den Eheleuten sind die Auflehnung und der Widerstand gegen die habsburgischen Unterdrücker das zentrale Thema.
Bereits in der nächsten Szene lernt der Zuschauer die kleine Gemeinde Altdorf im Kanton Uri kennen. Die Bewohner, Bauern und Handwerker leiden auch in Altdorf unter den Habsburgern, insbesondere die Fronarbeit und die eiserne Hand des tyrannischen Reichsvogts Gessler setzen dem Volk sehr zu. Als Zeichen seiner Allmacht lässt dieser seinen Hut auf eine aufgestellte Stange setzen, damit die Untertanen ihn (den Vogt) gebührend verehren können. Unterdessen hat sich Werner Stauffacher – getrieben von seiner Frau – mit dem schon recht betagten Walther Fürst und Arnold vom Melchtal zusammengetan. Letzterer ist der Sohn eines von den Habsburgern verfolgten und misshandelten Bauern, was auch seine Motivation erklärt. Die drei Verbündeten erkennen, dass einzelne Aktionen nichts ausrichten können und wollen daher ihre Kantone vereinen, um so einen gezielten Aufstand zu ermöglichen.

2. Aufzug
Im zweiten Aufzug wird deutlich, dass selbst der Adel untereinander zerstritten ist und dass verschiedene Ansichten über die Art und Weise der Herrschaft existieren. So steht der junge Ulrich von Rudenz durchaus hinter der eisernen Hand des Adels, während sein Onkel, der erfahrene Freiherr von Attinghausen eher mit der Bevölkerung sympathisiert – mehr aber auch nicht. Als Folge dieser fortwährenden Unterdrückung versammeln sich zahlreiche zum Kampf entschlossene einfache Landleute und Bauern aus mehreren Regionen auf dem Rütli, einer Bergwiese in der Nähe des Vierwaldstätter Sees. Auch Walther Fürst, Arnold vom Melchtal und Werner Stauffacher nehmen an dem Treffen teil. Im weiteren Verlauf kommt es zum historischen Rütlischwur, der die Gründung der ersten Eidgenossenschaft (einem Vorläufer der heutigen Schweiz) sowie die Verjagung der Habsburger Herrscher beinhaltet. Wortführer beim Rütlischwur ist Itel Reding, ein einfacher Landmann aus Schwyz.

3. Aufzug
Nach einem weiteren Szenenwechsel erfährt der Zuschauer, wie sich Wilhelm Tell gegen den ausdrücklichen Willen seiner besorgten Ehefrau auf nach Altdorf macht, wobei er von seinem größeren Sohn Walter begleitet wird. Wegen der von Tell absichtlich verweigerten Ehrbezeugung gegenüber dem Hut von Gessler kommt es mit den Wachen zum Eklat, den Arnold vom Melchtal und Werner Stauffacher schlichten wollen, was sich aber als kontraproduktiv erweist. Als dann noch der Landvogt persönlich zu dem Streit stößt, zeigt sich einmal mehr dessen sadistische Einstellung. Er verlangt von Tell, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter zu schießen und lässt sich auch von seinen besorgten Gefolgsleuten nicht davon abbringen. Obwohl Tell diese Nagelprobe besteht, lässt Gessler ihn dennoch in Haft nehmen. Als Begründung dient ein geplantes Attentat Tells auf den Vogt, falls der Schuss nicht getroffen hätte, weil Tell zwei Pfeile bereithielt. Tell soll in mit einem Schiff nach Küssnacht am Nordufer des Vierwaldstätter Sees gebracht und dort eingesperrt werden.

4. Aufzug
Im nächsten Aufzug gelingt Wilhelm Tell während der Überfahrt die Flucht, weil ein heftiges Unwetter ihm zu Hilfe kommt. An der Küste angekommen, erkundigt sich Tell bei einem Fischerjungen nach dem schnellsten Weg nach Küssnacht. Während der Titelheld also auf der Flucht ist, kämpft der Bannherr Werner, Freiherr von Attinghausen mit dem Tod. Aber auch die ungelösten Konflikte sowie der Widerstand gegen die überholte Tyrannei bereiten ihm große Sorgen. Der Freiherr erkennt das nahende Ende des Adels und mahnt mit seinen letzten Worten die hinzugeeilten Stauffacher und Melchtal zur Einigkeit. Kurz nach dem Tod des Freiherrn erscheint auch der einstmals ungestüme Neffe Ulrich von Rudenz, der sich nun voller Tatendrang und Elan mit den Aufständischen verbündet.
Tell hat unterdessen Küssnacht erreicht und versteckt sich in verwinkelten Gassen und dunklen Ecken, um Hermann Gessler endgültig zu töten. Dabei ist Tell weniger von Rache, als vielmehr von der Überzeugung getrieben, dass sich nur so die bestehenden Verhältnisse ändern lassen. Gerade als Gessler dabei ist, einmal mehr sein grausames Gesicht zu zeigen, wird er von Tell mit einem präzisen Schuss vom Leben in den Tod befördert. Sofort bildet sich eine große Menschenmenge um den Toten, die das Ende der tyrannischen Herrschaft feiert.

5. Aufzug
Nach dem Tod des Reichsvogts Gessler wendet sich das eidgenössische Bündnis, dem auch Ulrich von Rudenz und Arnold vom Melchtal angehören, der Burg in Altdorf zu, um die Besatzer zu vertreiben und Gefangene zu befreien. So kommt auch Berta von Bruneck frei, die seinerzeit Ulrich von Rudenz zum Beitritt zum eidgenössischen Bündnis bewegt hatte.
Nachdem die Bevölkerung ihrem Unmut und Hass ausgiebig freien Lauf gelassen hat, ist der aufgestellte Hut des grausamen Gesslers nun ein wichtiges Symbol für den Widerstand und die Freiheit, die gelegentlich auch hart erkämpft werden muss.
Plötzlich ereilt das Volk die Nachricht vom Tod des habsburgischen Königs Albrecht. Er soll von seinem eigenen Neffen Johannes Parricida wegen Erbstreitigkeiten ermordet worden sein. Nun ist der Königsmörder Parricida flüchtig und wendet sich – verkleidet als Mönch – an Wilhelm Tell, in dem er einen Verbündeten sieht. Wilhelm Tell, der gerade reichlich Ärger mit seiner Frau wegen der Gefahren für die Kinder hat, erteilt dem Mörder aber eine Absage. Er macht deutlich, dass die Ermordung des Tyrannen Gessler und ein Königsmord aus niederen Beweggründen nicht vergleichbar sind. Nur eine Beichte beim Papst kann Parricida nun noch erlösen.
Die Schlussszene des Dramas ereignet sich vor dem Haus von Wilhelm Tell, wo die nun endlich verwirklichte Freiheit gefeiert wird. Tell selbst zeigt sich dabei einmal mehr als bescheidener und zurückhaltender einfacher Mann aus dem Volk, indem er den anderen am Kampf beteiligten Personen die Bühne überlässt.

Das Thema Freiheit hat bei Friedrich von Schiller schon immer einen besonders hohen Stellenwert eingenommen. Das wird vor allem im Verhältnis des Titelhelden (einfacher Mann aus dem Volk, Einzelgänger) zum Herrscher Gessler deutlich. Beide könnten gesellschaftlich nicht weiter voneinander entfernt sein. Zu den wesentlichen Absichten des Autors gehörte bei der Charakterisierung der Freiheitskämpfer insbesondere ein Querschnitt durch alle Schichten der Bevölkerung und alle Altersstufen. Auch die moralische Rechtfertigung der Ermordung Gesslers ist eine zentrale Frage des Dramas. Der Dichter verwendet zur Verdeutlichung hier besondere rhetorische Fragestellungen, Zwiegespräche sowie Wechselreden, die von Antithesen geprägt sind.






→ PERSONEN

Wilhelm Tell
Er ist der einzige Charakter, der sich in diesem Werk aus der gewöhnlichen Gesellschaft heraushebt. Er verkörpert den fast perfekten Schweizer, denn er hat alle guten Eigenschaften die das Schweizervolk verkörpert. Sein wichtigstes Bestreben ist ein Leben in persönlicher Freiheit ohne von irgendeiner Obrigkeit abhängig zu sein oder einer dienen zu müssen. Er ist ein sehr robuster, starker Mann, der den Gefahren der Natur und des Lebens gewachsen ist. Im Umgang mit Menschen ist er sehr verschlossen, weil er in der langen Zeit, die er in der freien Natur auf der Lauer liegend zugebracht hat, keinen Menschenkontakt benötigte und sich nun an die Einsamkeit gewöhnt hat. Aber in seinen Taten ist er sehr entschlossen und verfolgt energisch seine Ziele.
Als er von Geßlers Söldner festgenommen werden soll, möchte er auf das tobende Meer hinausfahren, um sich zu retten. Seine Landsleute raten ihm davon ab, er aber erwidert nur:
Ich helfe mir schon selbst. Geht, gute Leute!
Meint ihr, wenn ich die Kraft gebrauchen wollte,
ch würde mich vor ihren Spießen fürchten ?
Tell ist das Idealbild eines Mannes; für manche auch noch in unserer Zeit. Er kümmert sich um die Bedrängten, ist stolz gegenüber Unwürdigen, treu seinem gegebenen Wort und fromm. Denn selbst in größter Not ruft er Gott um Hilfe an, auf dessen Gerechtigkeit und Hilfe er vertraut. Wilhelm Tell ist ein pflichtbewusster Ehemann und ein guter Vater.

Werner Stauffacher
Er ist das typische Bild eines reichen Freibauern, der sein Haus vom Reich zu Lehen trägt. Er ist sehr gastfreundlich und gibt fast allen Unterkunftssuchenden ein Bett und Verpflegung.
Er selbst ist sehr stolz auf seine ererbte Freiheit, nämlich die Freiheit, die für viele Schweizer ein ewiger Wunsch bleiben wird. Auf Werner Stauffacher lastet die große Verantwortung der Weigerung, denn er wollte sich keinem Fürstenhaus unterwerfen, sondern blieb seinem Reich treu. Er hat Angst vor einem Kampf, den die schwachen Bauern gegen die starke Heeresmacht der Habsburger aufnehmen will. Er fürchtet die Verwüstung des Krieges und die Feinde, die durch einen Sieg die Kontrolle über die Schweiz bekommen.
Er möchte seine Landsleute von dem Entschluss die Waffen zu erheben abbringen, doch das gelingt ihm nicht. Dennoch kämpft er dann ohne zu zögern tapfer auf ihrer Seite.
Stauffacher ist zwar stolz auf seinen Besitz, seine Freiheit und, dass er im Mittelpunkt der Volksbewegung steht, aber dennoch muss er den Sieg Tell zugestehen.

Arnold von Melchtal
Er vertritt vor den Führern des Volkes die Jugend. Im Zorn hat er einen Knecht des Landenbergers, der ihm wegen eines geringen Vergehens das beste Paar Ochsen vom Pflug abspannte, einen Finger zerschlagen und sich so den Hass des Vogtes zugezogen. Nun lebt er versteckt und ewig bereit zur Flucht. Außerdem packt ihn die Wut bei dem Gedanken an die Blendung seines Vaters.
In vielen Gesprächen mit Walter Fürst und Stauffacher drängt er darauf, dass die Vögte vertrieben werden sollen. Er ist sehr vehement, doch teilweise droht sein Übereifer in das Negative umzuschlagen.

Freiherr von Attinghausen
Er ist ein alter Mann, der kurz davor ist zu sterben. Doch nicht sein bevorstehender Tod bereitet ihm Sorge, sondern dass er der letzte seines Geschlechtes ist und alles was ihm in seinem Leben groß und ehrwürdig erschienen war, droht dahinzuschwinden. Er fühlt in sich die Pflicht, dass er seinem Volk ein Führer und Beschützer sein muss. So hat der Lehnsherr patriarchalisch unter seinen Leuten gehandelt, als Landsmann das Volk im Frieden geleitet und als Bannerträger in die Schlacht geführt. Und nun muss er miterleben, wie der jüngere Adel, vom Glanz der Macht geblendet, den Idealen seiner Väter untreu wird. Es blutet ihn in seinem Herz, dass sein eigener Neffe Ulrich von Rudenz hochmütig sein Volk verachtet und sich den Feinden des Landes anschließt.
Er ist vorurteilsfrei genug, um zu erkennen, dass das aufsteigende Bürgertum ebenbürtig neben den Adel tritt und, dass dieser Schritt wichtig ist.

Geßler
Er ist das Urbild eines Tyrannen. Das Selbstbewusstsein und die Freiheit der Schweizer sind ihm verhasst. Er geht schonungslos mit unerschütterlicher Ausdauer gegen seine Feinde vor. Doch eigentlich ist er ein Feigling, denn als er wehrlos auf dem schmalen Felsgrat mit Tell zusammentrifft, verliert er die Haltung, wird blass und sinkt auf die Knie. Diese Szene ist für ihn so peinlich - denn er will, dass alle vor ihm zittern - dass er auf baldige Rache hofft. Er will sich Tell untertan machen. Aus diesem Grund droht er Tell mit dem Tod und zwingt ihn einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Tell gelingt dieses Kunststück aber und Geßler ist als Rachesuchender entlarvt. Doch er gibt nicht auf und sperrt Tell auf einem Schiff ein.
    Geßler fühlt sich sicher und hat schon Pläne für die Zukunft gefasst: „Ich bin des Kaisers Diener und muss darauf denken, wie ich ihm gefalle.“ Er droht dem ganzen Volk mit der Unterdrückung: „Ich will ....“, doch da durchbohrt ihn Tells Pfeil.


→ INTERPRETATION
Die Sage von Wilhelm Tell ist in der Schweiz schon so etwas wie ein „Nationalheiligtum“ geworden. Sie ist fest in der Volksüberlieferung verankert, obwohl man sich über die historische Richtigkeit nicht ganz im Klaren ist. Doch nicht nur in der Schweiz, sondern auf der ganzen Welt ist der Tell berühmt und von vielen bewundert. Wilhelm Tell zählt sicher zu den meist behandelten Personen in der deutschen Literatur.
Der Äpfelschuss geht einerseits auf die mittelalterlichen Schützenbräuche, bei denen man auch einen Apfel oder einen Pfennig in einer Mütze dem eigenen Sohn auf den Kopf setzte,  andererseits aber auch auf Homer zurück, denn Schiller war ein begeisterter Homer-Leser. Odysseus bohrte seinen Pfeil durch alle zwölf Axtringe, was ihn als den rechtmäßigen Herrscher zeigte. Den zweiten Pfeil verwendete er um seinen Widersacher Antinoos zu töten. Auch Tell traf mit seinem zweiten Pfeil seinen Feind und Rivalen.
Schiller beschreibt in seinem Werk den Konflikt zwischen dem Adel und dem Bauernstand, der sich nicht beherrschen lassen, sondern frei sein will. Die Landesvögte haben beinahe die absolute Kontrolle über die Bauern, denn sie stellen ihnen den Grund zur Verfügung ohne den sie niemals etwas anbauen können. Demgegenüber benötigen die Adeligen aber auch die Produkte, die von den Bauern erzeugt werden für ihr tägliches Leben. Es entsteht somit ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis, dass der Adel für sich ausnützt, indem er seine „Arbeiter“ unterdrückt.
Der Adel hat lange sehr gut nach diesem System gelebt, weil es die Bauern nicht wagten sich aufzulehnen. Doch die Kritik und vor allem der Wunsch nach Freiheit wird immer größer und die Landarbeiter werden zu einer gefährlichen Kraft.
Es ist eine schwierige Lage für den Adel. Sie wollen auf keinen Fall zulassen, dass irgend Angehöriger eines niederen Standes Einfluss in ihrem Land bekommt. Aber inzwischen ist der Bauernstand so mächtig geworden, dass man ihn nicht mehr einfach vernachlässigen kann. Das ganze System würde ohne Arbeiter zusammenbrechen und da können die „Oberen“ noch so gut arbeiten, denn nur auf fruchtbarem Boden kann etwas gutes wachsen und sich weiterentwickeln.

Die Rolle der Frauen
In dem freiheitlichen Bühnenwerk verbünden sich nicht nur die Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden, sondern auch Alte und Junge, Frauen und Männer sowie Angehörige verschiedener Stände bzw. Hoch und Niedrig gegen die habsburgische Tyrannei.
In dem Drama sind auffälligerweise je einmal Frauen aus allen drei Ständen radikaler als je die Männer: So ermutigt die Bäuerin Gertrud ihren Gatten Werner Stauffacher: „Zu Schwyz sich alle Redlichen beklagen ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei [...] Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt zu führen“, und als er einwendet: „Wir Männer können tapfer fechtend sterben“ , was aber werde aus den Frauen, da antwortet sie: „Der letzte Weg bleibt auch dem Schwächsten offen. Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.“ – Die Adelige Berta gewinnt Rudenz für die gemeinsame Sache. – Und in der hohlen Gasse stellt sich Armgard, Gattin eines ohne Richterspruch eingekerkerten armen Wildheuers (Kleinbauern), mit ihren hungernden Kindern dem Vogt verzweifelt und beherzt in den Weg und bittet um die Freilassung ihres Mannes; als Gessler sie und ihre Kinder niederzureiten droht, durchbohrt ihn Tells Pfeil. Alle stehen betroffen, aber Armgard hebt eines ihrer Kleinen empor: „Seht Kinder, wie ein Wüterich verscheidet.“
Das Recht auf Widerstand
In der Rütliszene legt Schiller der Gestalt des Werner Stauffacher seine Auffassung des individuellen und kollektiven Widerstandsrechts gegen die Tyrannei in den Mund:
„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, | wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, | wenn unerträglich wird die Last – greift er | hinauf getrosten Mutes in den Himmel, | und holt herunter seine ew'gen Rechte, | die droben hangen unveräußerlich | und unzerbrechlich wie die Sterne selbst – | Der alte Urstand der Natur kehrt wieder, | wo Mensch dem Menschen gegenübersteht – Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr | verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – | Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen | gegen Gewalt [...]“
„Der alte Urstand der Natur kehrt wieder“ – diese Formulierung verweist auf Schillers Auffassung des Naturrechts: Tell verkörpert Schillers Ideal des freien Menschen, der sich seiner vernunft- und sprachbegabten Menschennatur bewusst ist und sich von keinem anderen menschlichen Wesen unterjochen lässt. Der Widerstand gegen die Okkupationsmacht ist gerechtfertigt, weil die Innerschweizer Einheimischen mit ihrer Freiheit nichts Geringeres als ihre Menschenwürde verteidigen.


Tells Sprache
Sprache und Sprechen ist für Tell – insoweit er den natürlich handelnden Menschen verkörpert – nicht primäre Äußerung und kein gerne aufgegriffenes diskursives Medium. Deswegen spricht Tell am Anfang des Stückes wenig, und wenn er etwas rechtfertigt, kleidet er seine Weisheiten in volkstümliche Sentenzen oder Gnomen: „Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.“ Sein – im Stück später – Monolog zeigt erst, dass in ihm eine Änderung vorgegangen ist. Seine Armbrust wird er nach dem Gesslerschuss nicht mehr benutzen.

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